Tübingen/Freiburg 05.12.2006 (dpa/lsw) - Wenn Wolfgang Wettach eine Kneipe oder ein Restaurant in Tübingen besucht, nimmt der Bücherliebhaber gerne etwas zum Lesen mit. Macht er sich dann wieder auf den Weg nach Hause, bleibt das Buch meist liegen. Der Tübinger ist allerdings weder besonders vergesslich noch zerstreut - er «lässt das Buch frei», wie er selbst sagt. Wettach betreibt «Bookcrossing» - so heißt eine Online-Tauschbörse, über die Bücher ausgesetzt und um die Welt geschickt werden.
Ein Phänomen, das weltweit, auch in Baden-Württemberg, immer mehr Anhänger findet. Im Südwesten sind derzeit mehr als 4500 «Bookcrosser» auf der offiziellen Homepage registriert, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es momentan mehr Fans der literarischen «Schnitzeljagd». Das Prinzip ist simpel: Jeder, der ein Buch mit dem Rest der Welt teilen will, registriert sich kostenlos online. Hat er das Buch dann mit einer Registriernummer und einem Label von der Website versehen, kann er es «freilassen».
Sobald der «Bookcrosser» im Internet-Forum bekannt gibt, wo das Buch sich befindet, ist die Jagd auf den Schmöker eröffnet. Wer das Buch dann findet, vermerkt dies ebenfalls online und schreibt vielleicht noch dazu, wie ihm der Lesestoff gefallen hat. Getreu dem Motto «Regalhaltung ist Literaturquälerei» hat der Tübinger Unternehmensberater Wettach in drei Jahren schon fast 500 Bücher in der «freien Wildbahn» ausgesetzt statt sie zu Hause Staub ansetzen zu lassen: «Ich finde es interessant, mich auf diese Weise mit anderen über Literatur auszutauschen», beschreibt er seine Motivation.
Besonders spannend sei auch die «Jagd» auf die freigelassenen
Bücher: «Bei meinem ersten Mal war die Beschreibung sehr geheimnisvoll. Ich musste zu einem Schloss gehen. Neben einem Parkplatz war ein Eisentor, unter das ich durch fassen musste - und siehe da: das Buch lag tatsächlich da», erzählt der 33-Jährige.
Inzwischen hat er nach eigenen Angaben schon 390 Schmöker gefunden. Neben Tübingen, Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim gehört auch Freiburg zu den «Bookcrossing»-Hochburgen in Baden-Württemberg. Hier schickt Sonja Felber ihre Bücher auf die Reise: «Eigentlich wollte ich ja Platz in meinem Regal schaffen, aber mittlerweile habe ich mehr Bücher gefunden als ich losgeworden bin», berichtet sie schmunzelnd.
Besonders reizvoll ist für die 30-Jährige, den Weg eines Buchs zu
verfolgen: «Manchmal lasse ich eins frei und lege mich auf die Lauer, um zu beobachten, was passiert», beschreibt sie den Kitzel des Versteckens und Findens. Als Tipps geben die erfahrenen «Buchauswilderer» Anfängern mit auf den Weg, möglichst gebundene Bücher auszusetzten, weil die länger «überlebensfähig» seien: «Wer sein Buch in freier Natur auswildert, sollte es in eine Plastiktüte stecken», erklärt Sonja Felber. Wichtig sei auch ein entsprechendes Etikett oder Aufkleber, mit dem darauf hingewiesen wird, dass das Buch absichtlich «freigelassen» wurde.
Derzeit warten laut «Bookcrossing»-Homepage rund 500 Bücher allein in Baden-Württemberg auf ihre neue Besitzer. Ob in einer Kirche, an der Bushaltestelle oder im Supermarkt - überall können sie liegen. In vielen Städten gebe es mittlerweile sogar spezielle «Bookcrossing- Zones», also Orte, an denen regelmäßig Literatur zu finden sei, erzählt Wettach. Bei der Geburt seiner Tochter vor drei Jahren habe er sogar ein selbst gestaltetes «Geburtsbuch» mit einigen Bildern von ihr auf die Reise geschickt: «Bisher haben es 87 Menschen weltweit in der Hand gehabt und mir zu ihrer Geburt gratuliert. Es war in ganz Europa, Amerika und sogar in Malaysia.»
(Internet: www.bookcrossing.de)
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Weiterlesen hier: Quelle dpa/Haus-der-Literatur.de ]
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