Mittwoch, Oktober 24, 2007

Silke Wettach nicht überrascht: VW-Urteil des EuGH stärkt EU-Vorgehen gegen Protektionismus

VW. dpa-Bild von WiWo.deEuGH kippt VW-Gesetz. - Porsche hat Grund zur Freude. Heute kippte der Europäische Gerichtshof das VW-Gesetz. Es beschränkt die Ausübung von Stimmrechten und verstößt so gegen das EU-Recht des freien Kapitalverkehrs. Überraschend kam die Entscheidung nicht, berichtet Silke Wettach aus Brüssel.

Im Februar hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Dámaso Ruiz-Jarabo in seinem Schlussantrag bereits deutlich zu verstehen gegeben, dass das VW-Gesetz gegen EU-Recht verstösst. Wie in 80 Prozent aller Fälle folgte der EuGH heute Vormittag der Linie des Generalanwaltes und kippte die deutsche Sonderregelung. Die Aktienmärkte hatten dies seit Wochen vorweggenommen.

Aus juristischer Sicht war der Fall ohnehin eindeutig. Die EU kann nicht hinnehmen, dass ein Mitgliedsstaat eine Hürde wie das VW-Gesetz aufbaut und so die Kapitalfreiheit behindert. Die Kommission muss handeln, wenn eines der fundamentalen Prinzipien der Gemeinschaft in Gefahr ist und ging folgerichtig gegen die Bundesrepublik vor Gericht.
Den Juristen in Luxemburg war indes klar, dass es bei diesem Fall nicht nur um Paragrafen geht.

Politiker schüren mit EuGH-Urteilen gerne EU-Skepsis

Der Generalanwalt machte deutlich, dass Modelle von Volkswagen zum „kulturellen Erbe“ Deutschlands gehören, vor allem mit Blick auf die 1950er und 60er Jahre. Ruiz-Jarabo betonte: „Man kann gut verstehen, dass viele Bürger, erfüllt von Nostalgie für jenes goldene Zeitalter, in der Verletzungsklage der Kommission nicht nur die Kritik an einer nationalen Regelung, sondern auch einen Angriff auf ein Symbol der deutschen Lebensweise, einen wahrhaften modernen Mythos sehen.“

Ruiz-Jarabo und seine Richterkollegen wissen nur zu genau, dass sie mit ihren Entscheidungen EU-Skeptikern in den Nationalstaaten Munition liefern. Die Richtersprüche werden nur zu gerne als unzulässige Einmischungen von außen diffamiert. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff etwa vergleicht die EU gerne mit einer Krake, die sich „in alle Lebensbereiche“ vordränge. Auch diesmal ist zu erwarten, dass Politiker die Entscheidung nutzen werden, um Stimmung gegen die EU zu machen.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Die Kommission in Brüssel darf das nicht davon abbringen, auch in Zukunft über die Bewegungsfreiheit von Personen, Gütern und Kapital zu wachen. Aber ein gewonnenes Match bedeutet in diesem Fall noch keine Meisterschaft. Protektionismus ist in Europa derzeit so sehr en vogue, dass der Kommission die Arbeit nicht ausgehen wird. Spanier, Franzosen und Italiener versuchen den freien Kapitalverkehr genauso auszuhebeln wie die Ungarn.

Die beschlossen jüngst ein Gesetz, um den Energiekonzern Mol vor der Übernahme durch den österreichischen Mineralölkonzern OMV zu schützen. Auch hier plant die Kommission eine Klage. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
[ Weiterlesen hier: Quelle WiWo.de ]

Labels: , ,

Adrian Wettach - Clown Grock Der König des Lachens erlebt zurzeit ein Revival

Quelle Zürcher OberländerDer Clown Grock ist, fast 50 Jahre nach seinem Tod, wieder en vogue: Neue Publikationen sind erschienen und seine Villa Bianca an der Riviera wird zu einer Gedenkstätte umfunktioniert.

Wenn Zirkusdirektoren heute ihre Programme zusammenstellen, dann sind gute Clownnummern ihr grösstes Problem. Dem war nicht immer so. Und eine der herausragendsten Figuren der legendären Epoche grossartiger Spassmacher war ein Schweizer: Clown Grock (1880-1959). Heute schon fast vergessen, war er zu seiner Zeit Manegenkult - und jedes Kind kannte ihn. Er galt als der König des Lachens. Zusammen mit dem Spanier Charlie Rivel gehörte er zu den letzten grossen Clowns, die im goldenen Zeitalter der Manegen nicht nur die eigentlichen Exponenten, sondern auch die Kassenmagneten der Zirkuskunst waren.

So schrieb die Illustrierte «Paris Match» in einer Grossreportage fünf Jahre vor seinem Tod: «Son masque d'August a inspiré tous les clowns du monde». In den dreissiger Jahren gab es in Amerika und Europa sogar Spielpuppen mit den Zügen von Grock. Millionen von Kindern und Erwachsenen haben während fünf Jahrzehnten über ihn Tränen gelacht. Als er 1959 starb, titelte die Weltpresse: «Grock, der König der Clowns, ist tot». «Jeder Mensch ist ein Clown, aber nur wenige haben den Mut, es zu zeigen», meinte Grocks zeitgenössischer Konkurrent Charlie Rivel. Die Frage drängt sich daher auf: Was hat Grock zum Clown befähigt, woher stammte dieses Naturtalent? Wie kam es, dass dieser Grock zum Inbegriff der Volksweisheit «Über Clowns lacht man; über grosse Clowns lacht man nicht nur, man liebt sie» wurde?

Sohn eines Uhrmachers

Grock war kein Zirkuskind. Am 10. Januar 1880 kam er in Loveresse im Berner Jura als Sohn eines Uhrmachers zur Welt, was ihn nicht hinderte, schon früh vom Zirkus zu träumen. Als sein Vater aus wirtschaftlicher Not heraus den Beruf wechselte und 1892 in Biel das (heute noch existierende) Restaurant Paradiesli übernahm, kam der kleine Adrien Wettach - zusammen mit Schwester Jeanne - zu ersten Auftritten als Akrobat und Musiker. Eine Uhrmacherlehre brach er nach lediglich vier Wochen ab. 1897 wanderte er nach Ungarn aus, mit vier Franken im Sack. Hier traf er den Clown Alfred Prinz, der ihn als Partner im Zirkus engagierte, womit seine Träume endlich wahr wurden. Nach Ungarn folgten erfolgreiche Auftritte als Musikclown in Deutschland und Frankreich. Und wie der Zufall so spielt: 1903 suchte der Komiker Marius Galante einen Ersatzpartner für seine Clownnummer «Brick und Brock». Da Adrien Wettach nicht einfach den Namen seines Vorgängers übernehmen wollte, einigte man sich auf «Brick und Grock». Das Logo fürs Leben war geprägt, und die Karriere führte fortan steil aufwärts. Mit dem berühmten Weissclown Antonet trat er in den bekanntesten Varietés jener Zeit auf, und in spanischen Stierkampfarenen sogar vor 20 000 begeisterten Zuschauern. Spätere Partner waren Schwager Géo Lolé und Max van Embden. Grocks Partnerschaften waren stets geprägt von Streit, Versöhnung und Trennung. Doch in der Manege wurde er auf seinen Tourneen in ganz Europa bejubelt - und desgleichen in Amerika. Von hier aber kehrte er, trotz finanziellem Erfolg, in seine Wahlheimat London zurück, da der derbe amerikanische Humor nicht nach seinem Geschmack war.

Ein Ausnahmekönner

Grock war ein Multitalent: dummer August und Mime, Musiker und Komponist, Akrobat und Jongleur - kurz ein genialer Clown. Seine übergrossen, karierten Klamotten, die weissen Handschuhe und die Quadratlatschen, aber auch sein unnachahmlicher Sprung auf die Stuhllehne und sein virtuoses Spiel auf der Miniaturgeige oder der Konzertina sind legendär. Und so, wie Charlie Rivel mit seinem «Akrobat schööön!» Furore machte, so hatte auch Grock seine geflügelten Bonmots: «Nid möööglich!» oder «Waruuum?», letzteres die berühmt-lapidare Frage in den unpassendsten Momenten. Grock beherrschte mehr als ein halbes Dutzend Instrumente virtuos und produzierte gut zwanzig Schallplatten mit Unterhaltungsmusik. Als sein Freund, der deutsche Akkordeon-Fabrikant Ernst Hohner ihn fürs Akkordeonspiel zu begeistern versuchte, lehnte er jedoch ab, nochmals ein neues Instrument zu erlernen. Also baute Hohner, nach der Idee von Grock, ein Akkordeon mit Klaviertastatur: ein neues Instrument war geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden immer mehr Varietés. Grock gründete 1951 - bereits 71-jährig - einen eigenen Varietézirkus. Mehr als 4500 Sitzplätze fasste das Riesenchapiteau und verfügte über eine drehbare (!) Bühne. Damit absolvierte er eine höchst erfolgreiche Tournee durch Europa. Dann aber der traurige Moment: Am 31. Oktober 1954 verliess Grock in Hamburg zum letzten Mal die Bühne - weinend. Und das Publikum, das er immer zum Lachen gebracht hatte, weinte mit ihm unter nicht enden wollenden Ovationen. «Der Kreis hatte sich vollendet, denn Lachen und Weinen sind ja erst das ganze Herz des Menschen. Und ich, ein Kerl, der gerne boxt und rauft und sein Leben lang niemals zimperlich war - ich schämte mich nicht meiner Tränen.»

Der Clown Grock brachte mit seinem feinen Humor die Menschen zum Lachen; seine Herzlichkeit wirkte ansteckend. Doch der Mensch Grock hatte Ecken und Kanten. Mit seinem impulsiven und aufbrausenden Temperament und seiner manchmal autoritären und sturen Art konnte er auch verletzend sein; davon wussten nicht zuletzt seine Partner ein Lied zu singen. Ein unschöner Klecks in seinem Reinheft war - und das scheint so gar nicht zu einem Clown zu passen - seine anfängliche Faszination fürs Naziregime in Deutschland. Obschon er erst mit grosser Verzögerung seine Fehleinschätzung erkannte und korrigierte, schien dies der Karriere keinen Abbruch zu tun.

Und was auch nicht zu dem auf der Bühne bescheiden auftretenden Clown passen wollte, war seine schlossähnliche Prunkvilla Bianca in Oneglia an der italienischen Riviera, die er sich im Kulminationspunkt von Ruhm und Reichtum erbauen liess und für die er Unsummen ausgab. Hier starb er dann auch am 14. Juli 1959. Verbittert wünschte der «König der Clowns» im letzten Satz seines Testaments für die Bestattung: «Keine Blumen, keine Reden und auf gar keinen Fall einen Priester oder Pfarrer.» Doch über allem blieb unerschüttert sein Leitsatz: «Gäbe es die Möglichkeit einer Wiedergeburt und könnte man sich wünschen, als was man wiedergeboren würde, es gäbe für mich nur eines: ich würde wieder Grock - ein Clown!»


[ Weiterlesen hier: Quelle Zürcher Oberländer ]

Labels: , ,