Die Villa des Clowns Grock wird öffentlich zugänglich - Vage Pläne für die spätere Nutzung: Wie den Blumen bekommen an der Riviera Sonne und mildes Klima auch den Touristen. Ausländer aus dem Norden pilgern aus diesem Grunde sowie wegen der üppigen Vegetation und der prächtigen Panoramen entlang der Küste seit über hundert Jahren in Scharen nach Ligurien ans Meer. Zu den ersten Fremden, die sich in diesen Landstrich vernarrt hatten, gehörten Ende des 19. Jahrhunderts Reiche aus dem zaristischen Russland, aus Deutschland und England. Unter den prominenten Besuchern fand sich überdies früh schon der Schweizer Clown Adrien Wettach, genannt Grock, der 1927 in der Umgebung von Imperia ein Grundstück erwarb und sich drei Jahre später mehr oder weniger definitiv an der Riviera niederliess. Domenico Gandolfo hat sich in den letzten Jahren nach Kräften dafür eingesetzt, dass Grocks Anwesen erhalten bleibt, und er ist überzeugt davon, dass der Schweizer Unterhaltungskünstler seinerzeit dem Charme dieser traumhaften Gegend erlegen war wie vor ihm so viele andere. Allerdings spielte im Falle von Grock auch eine Frau eine Rolle. Ines Ospiri, die er in der Folge heiratete, stammte aus dem piemontesischen Ort Garessio, der nur knapp 50 Kilometer von Imperia entfernt ist.
Grocks Villa liegt hoch über Oneglia, neben Porto Maurizio einer der beiden Siedlungskerne, die zusammen Imperia bilden. Der Blick über die Stadt, die umliegenden Hänge, die Bucht und die See ist atemberaubend, und auf einem Balkon im dritten Stock des riesigen Hauses lässt sich leicht vorstellen, welche Rundsicht Grock hatte, bevor in der Umgebung Häuser und Wohnblocks hochgezogen wurden. Als der erfolgreiche und weltberühmte Clown an die Riviera kam, stand auf dem Grundstück zunächst lediglich eine kleine Villa; Grock liess einen prachtvollen Garten anlegen, einen Teich ausheben und in diesem eine Insel mit Wasserspielen bauen, dazu kamen ein Festsaal, Werkstätten, Ateliers samt Fotolabor sowie eine eigene Elektrizitätszentrale. Am Ende passte das Wohnhaus nicht mehr so richtig in diese pompöse Anlage, und Grock nahm kurzerhand den Bau einer schlossartigen Residenz mit gut 50 Zimmern an die Hand.
In den Bau flossen Elemente aus einer Vielzahl von Stilrichtungen ein; schön oder elegant ist er nicht, sondern ein Ungetüm in orientalisch verbrämtem Neobarock mit Leihgaben aus dem Jugendstil. Als Dekorationsstücke fanden neben Grocks Maske in Haus und Garten Symbole aus der Welt der Esoterik Verwendung, was unter anderem damit zusammenhängt, dass der Clown einer Freimaurerloge angehörte. Grock lebte mit Unterbrüchen bis zu seinem Tod am 14. Juli 1959 in der «Villa Bianca», so benannt nach seiner Stieftochter. Für seine Witwe wurde das Anwesen wegen der hohen Unterhaltskosten zu einer Belastung, der sie aber bis zu ihrem Tod 1974 standhielt. Sie versuchte nach Kräften, bei staatlichen Stellen Interesse für das Anwesen zu wecken, um es im Andenken an ihren Mann der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Daraus wurde allerdings nichts, ein Jahr später verkaufte ihre Tochter Bianca Villa und Garten an einen Immobilienunternehmer, dazu verscherbelte sie den gesamten übrigen Besitz ihres Stiefvaters.
Jahre des Verfalls - und des AufbausDer erste Käufer trug sich mit Plänen, die Villa in ein Appartementhaus umzubauen, es geschah indessen nie etwas, und zudem ging ihm finanziell der Atem aus. Dasselbe Schicksal ereilte in der Folge auch den nächsten Besitzer, so dass das Anwesen schliesslich versteigert wurde. Auf diese Weise ging es in den Besitz eines Unternehmens in Alba im Piemont über, und von dort gelangte es vor drei Jahren in die Hände der Provinz Imperia. Während dieser Jahre verfielen Villa und Garten immer mehr, zuletzt hatten sich vorübergehend Obdachlose eingenistet. Dass die Villa Bianca bessere Tage gekannt hat, ist unübersehbar: die Wände sind mit Graffiti verschmiert, die Glasscheiben grösstenteils eingeschlagen, in Böden und Wänden klaffen Löcher, Tapeten sind heruntergerissen, und Türen und Portale hängen schief in den Angeln. Gelitten hatte Grocks Besitz allerdings schon während des Zweiten Weltkrieges, als darin der Reihe nach deutsche Verbände, italienische Partisanen und schliesslich britische Truppen einquartiert waren. Signore Gandolfo, der dem grossen Clown am 1. Mai 1959 in der Villa Bianca kurz begegnet war, erzählt, dass Grock in den Kriegsjahren über dem Haus die Schweizer Flagge gehisst habe.
Dass die Villa heute noch steht und mittlerweile Pläne bestehen, das Anwesen in altem Glanz wieder erstrahlen zu lassen, geht zu einem schönen Teil auf Gandolfos Konto. Mit einer Handvoll Freunden hat er in den letzten Jahren unermüdlich dafür gesorgt, das Interesse an der Villa Bianca wach zu halten, seine Gruppe hat den Park gesäubert, um darin Gaukler-Spektakel zu organisieren. Zurzeit sind Arbeiten im Gange, die Parkanlage samt den Pavillons wiederherzurichten; die Mittel dafür stammen von der Fondazione Carige (Cassa di Risparmio di Genova) sowie von der Europäischen Union.
Bis Ende des nächsten Jahres soll die Aufgabe abgeschlossen und der Park dem Publikum zugänglich sein. Anschliessend soll dann die Renovierung der Villa in Angriff genommen werden, wobei das Geld dafür allerdings noch nicht aufgetrieben ist. Vage sind auch noch die Pläne, was die spätere Nutzung betrifft, man denkt etwa an die Einrichtung eines Clownmuseums, einer Grock-Gedenkstätte mit Memorabili aus seinem früheren Besitz sowie eines Ausbildungs- und Schulungszentrums für Clowns, Gaukler und Mimen.
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Weiterlesen hier: Quelle: NZZ ] - [
Weblink: Die Seite der Grock Foundation ]
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